Siegerin aus dem Land des Lächelns

Sara Takanashi fliegt der Konkurrenz davon. In Oberstdorf gewinnt sie beide Wettbewerbe. Ganz anders die deutschen Frauen. Sie kassieren eine „Klatsche“
Sie träumt davon, so weit wie die Männer zu springen. Ob ihr das gelingt? Auszuschließen ist bei Sara Takanashi derzeit nichts. Die sensationelle Saison der 19-jährigen Japanerin setzte sich bei den Weltcup-Springen in Oberstdorf fort: Die „Sushi-Rakete“ gewann beide Wettbewerbe von der Normalschanze überlegen. Egal ob Sonnenschein wie am Samstag oder Dauerregen wie am Sonntag: Die Konkurrenz schüttelte den Kopf, während
Takanashi lächelnd landete.
Auch beim zweiten Wettkampf holte sich die zierliche Dame den achten Sieg im neunten Saisonspringen. „Für mich wird es nicht langweilig. Jeder Sieg ist aufregend“, versicherte sie. Den Rivalinnen bleibt nur die Hoffnung auf einen Ausrutscher der Ausnahmeathletin. „Sie hat diese Lockerheit.
Da geht alles auf“, sagte die Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz, die an beiden Tagen den zweiten Platz belegte.
Für das deutsche Team wurde der einzige Heim-Weltcup zur Enttäuschung. Für die beste Platzierung sorgte ausgerechnet eine Weltcup-Novizin: Agnes Reisch vom WSV Isny belegte am Samstag Rang 13. „Ich kann das gar nicht glauben“, sagte die 16-jährige Senkrechtstarterin, die tags darauf als 21. erneut eine gute Figur machte. „Skispringen und Spaß haben“, lautete die Devise der Allgäuerin, der als Einzigen zum Lachen zumute war. Weltmeisterin Carina Vogt war nach ihrem Sturz mit Gehirnerschütterung zuletzt in Japan außer Form – und kam in beiden Springen nicht unter die besten 20. „Ich habe kein Gefühl in der Anfahrt. Das fehlt dann am Schanzentisch“, sagte die Schwäbin.
Auch Lokalmatadorin Katharina Althaus vom SC Oberstdorf erwischte ein schwarzes Wochenende: Nach einer Verletzung im Training am Samstag startete sie mit einem getapten Fuß und segelte als 26. meilenweit am erhofften Podestplatz vorbei. Am Sonntag scheiterte sie gar im ersten Durchgang und verpasste das Finale der besten 30 Springerinnen. Genau wie ihre Vereinskollegin Gianina Ernst. „Es lief einfach gar nicht“, sagte Althaus frustriert und kämpfte im Dauerregen mit den Tränen. „Wir machen
zu viele Fehler“, sagte Bundestrainer Andreas Bauer, der eine „Klatsche“ einräumte. „Das ist ein mentales Problem.“
Ganz anders Takanashi: Die Überfliegerin, die in Japan als Superstar gefeiert wird, bringt derzeit nichts aus der Bahn. „Sie arbeitet extrem professionell. In ihrem Leben dreht sich alles ums Skispringen“, schildert Renndirektorin Chica Yoshida aus Japan die Einstellung Takanashis, die von ihrem Vater trainiert wird. Am Samstag sprang sie mit 107 Metern Rekord auf der Normalschanze in Oberstdorf. Dabei übertraf sie die bisherige Bestmarke von Sebastian Bradatsch um einen halben Meter. Und plötzlich stand wieder eine Frage im Raum, die manch einem Experten schon eher lästig ist. Können Frauen genauso gut springen
wie Männer? Bundestrainer Bauer bewundert zwar ausdrücklich Takanashis Leistungen, stellte aber auch klar: „Die Frauen springen von viel weiter oben als die besten Männer. Also zum Beispiel von Luke 26,
während ein Severin Freund von Luke 16 losgeschickt würde“, erklärte der Oberstdorfer. Auch Renndirektorin Yoshida hält nichts von den ewigen Vergleichen. „Wir wollen auf eigenen Füßen stehen“, sagte sie über das Selbstverständnis der 250 Springerinnen, die an den FIS-Wettkämpfen teilnehmen. Takanashi ist die große Ausnahme: Sie fiel bereits als Teenager auf, als sie bei einem Wettbewerb von der Großschanze fast so weit wie die Jungs sprang. „Ich trainiere heute mit den Männern. Vielleicht werde ich einmal in der Lage sein, mich mit ihnen zu messen“, sagte sie.
Doch zunächst hat sie andere Ziele. Bislang hat sie weder bei den Olympischen Spielen noch bei Weltmeisterschaften eine Einzel-Medaille geholt. Wer die „Dominashi“ in Oberstdorf erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, dass dies so bleiben wird.
Text: Allgäuer Anzeigeblatt