Schattenbergschanze mit Blasmusik

Die Schattenbergschanze

Als im Jahre 1909 in Oberstdorf „an den Halden“ ein kleiner und ein großer „Schneeschuh-Sprunghügel“ erbaut wurden, waren die Reaktionen in der Bevölkerung völlig unterschiedlich. Von Befürwortung über Passivität, Warnung, Skepsis und Spott bis hin zur offenen Gegnerschaft reichte die Palette des entgegengebrachten „Interesses“.

Die aktiven Befürworter waren zahlenmäßig in der Minderheit und gerade sie - so zeigte es sich später - hatten auf das richtige Pferd gesetzt. Der „Schneelauf“, „Schneeschuhlauf“, oder wie es heute gesagt wird, der Skilauf, ist aus einem Gebirgsdorf nicht mehr wegzudenken.

Aber, zurück zur Sprungschanze. Bruno Biehler hat schon 1909 auf der Haldenschanze mit seinem 22-Meter-Sprung eine Marke gesetzt, die nahezu an die Grenze der Anlage heranreichte. Verbessertes Material, verfeinerte Technik und neue Springer verlangten nach einer größeren Schanze. Der Erste Weltkrieg und die Notzeiten danach ließen jedoch alle Initiativen ersticken.

Der Verkehrs- und Kurverein (VKV) rief 1923 einen Sportauschuß ins Leben, der Oberstdorf in sportlicher Hinsicht fördern und damit auch den Fremdenverkehr attraktiver präsentieren sollte. Kurdirektor Hermann Schallhammer, der in Personalunion auch Vorsitzender des Skiclub Oberstdorf (SCO) war, stand dem Sportauschuß vor. Schallhammer, selbst begeisterter Skiläufer der schon 1909 in Oberstdorf als Skilehrer tätig war, brachte nicht nur Anregungen ein, sondern machte gleich „Nägel mit Köpfen“. Im November 1924 legte er dem Ausschuß seine Pläne für eine neue Skisprungschanze vor. Dabei referierte er zuerst geschickt über die Nachteile der Haldenschanze, die insgesamt der Sonneneinstrahlung ausgesetzt sei, einen problematischen Anlauf und einen zu kurzen Auslauf habe, am Rande von freiem Wiesengelände liege und somit bei Veranstaltungen nicht abgesperrt werden könne. Probleme mit Grundnachbar spielten auch noch eine Rolle. Selbst der aufwendigste Umbau könne diese Nachteile nicht beseitigen. So erläuterte Schallhammer. Es sprach also alles für einen Schanzenneubau, nur - der Geldbeutel nicht!

Zusammen mit seinen beiden Mitstreitern, „Skivater“ Josef Dreher, der viele Jahre Oberstdorfs Jugend im Skilauf unterrichtet hatte, und Wolfgang Hohenadl, war Schallhammer bei der Suche nach einem neun Schanzenstandort längst fündig geworden. In das „Schattenloch“ am Ausgang des Faltenbachtobels sollte die neue Schanze kommen. Der dynamische Kurdirektor legte aber nicht nur einen Bericht vor, sondern gleich auch Daten und Zahlen. Architekt Hans Gschwender hatte bereits das Gelände vermessen und ausgesteckt. Detaillierte Kostenvoranschläge lagen auf dem Tisch. Schallhammer sagte den anwesenden Verantwortlichen unverblümt, daß der Zug für Oberstdorf als bedeutendem Wintersportort abgefahren ist, wenn nicht Zeichen gesetzt und interessante Wintersportveranstaltungen „an Land gezogen werden“.

Die Rede des Kurdirektors muß sehr massiv und der daraus entstandene Druck muß erheblich gewesen sein, denn schon wenige Tage später waren die Gespräche und Verhandlungen mit der Ortsgemeinde, der politischen Gemeinde und dem Vorstand des VKV erfolgreich abgeschlossen. Die Ortsgemeinde stellte das Grundstück, die politische Gemeinde 5.000,- Mark und der VKV 3.000,- Mark an Zuschüssen zur Verfügung. Architekt Hans Gschwender übernahm Planung, Bauleitung und Ausführung. Arbeitskräfte gab es genug, denn es herrschte große Arbeitslosigkeit. Daß hier Menschen in Verdienst gebracht wurden, dürfte im Hinblick auf den gleichzeitig laufenden Gemeinderats-Wahlkampf die Beschlußfreudigkeit der Gremien gefördert haben.

In den ersten Dezembertagen waren die Arbeiten soweit fortgeschritten, daß bei weiterer günstiger Witterung die Fertigstellung bis Anfang Februar 1925 in Aussicht stand, und - die Witterung war weiterhin günstig. Für heutige Tiefbaumaßnahmen unvorstellbar arbeiteten gleichzeitig mehr als 60 Mann an der Baustelle. Der Brutto-Stundenlohn betrug 73 Pfennige. Anscheinend versprach sich die Bauleitung einen Vorteil daraus, ab Anfang Dezember die Arbeiten auf Akkordlohn umzustellen und für den Kubikmeter bewegten Erdreichs zwei Mark zu bezahlen. Diese Maßnahme, die hohe Zahl der Arbeitskräfte und die äußerst milde Witterung zusammen „überholten“ die Terminplanung um Wochen.
Das Eröffnungsspringen wurde für den 7. Januar 1925 angesetzt und ausgeschrieben. Aber - die Rechnung war ohne St.Petrus gemacht worden. Es fiel kein Schnee. Apropos Rechnung, diese legte Architekt Gschwender Ende Januar vor: 20.438 Mark und 78 Pfennige kostete die neue Schanze. Eine Menge Geld war das damals so kurz nach der überstandenen Inflation.

Die Schattenbergschanze von einst

Ja, es wollte kein Schnee fallen. Im Allgäu, im Werdenfelser Land, in Vorarlberg und in Tirol wurden nach und nach alle Wintersportveranstaltungen abgesagt. Als endlich Anfang Februar Frau Holle ihre Betten schüttelte, hatte der Skiverband einen solch dichtgedrängten Terminkalender, daß für ein Eröffnungsspringen in Oberstdorf kein Raum blieb. Oberstdorf hatte jetzt zwar eine große Schanze und Schnee, aber keine Springer. Und so mußte die Premiere auf den nächsten Winter vertagt werden.

„Außer Spesen nichts gewesen“, so etwa meldeten sich jetzt die Kritiker, die ja alles vorher schon gewußt hatten. Auf die Verantwortlichen ging ein Hagel von Vorwürfen und Beschimpfungen nieder. Es genügten aber nicht die Schmähungen der engstirnigen Schanzengegner, auch der Allgäuer Skiverband hackte auf Oberstdorfs Skiclubvorstand ein. Ihm wurde vorgeworfen, daß er als Kurdirektor Fremdenverkehrsinteressen in den Skisport hineintrage. Um dem Club und dem Skisport nicht zu schaden räumte Schallhammer den „Chefsessel“, der ihm nur Arbeit uns Schwierigkeiten bereitet hatte. Allerdings hielt der kluge Taktiker „den Fuß in der Tür“; Nachfolger war sein Schwager Wolfgang Hohenadl.

Der 27.Dezember 1925 sollte nun der große Tag in Oberstdorfs Skisportgeschichte werden. Monate vorher war der Termin bekannt und als „gebrannte Kinder“ haben die Veranstalter gleich zwei Ausweichtermine festgelegt, falls der erste Anlauf wieder „ins Wasser fallen“ sollte. Bereits am Stefanstag, dem 26.Dezember, reisten auswärtige Springer mit der Eisenbahn an. In der „Sonne“ erfolgte deren Begrüßung im Rahmen eines Festabends. Die Tagespresse berichtete u.a.: „ Nach weiteren Vorträgen unserer Musik, die mit Hilfe des Märzenbierausschankes der Brauerei Richter die Stimmung wesentlich zu heben vermochte, ergriff Herr 1.Bürgermeister Haas das Wort......, und übergab namens der Gemeinde die große neue Sprungschanze dem Skiclub Oberstdorf und damit dem Sport.“

Eine Reihe auswärtiger Springer war nachts noch mit dem letzten Zug angekommen. Diese damals noch lupenreinen Amateure mußten in den meisten Fällen noch bis Samstagabend arbeiten. Die Verantwortlichen des Springens waren nun wenigsten die Sorgen über zu geringe Beteiligung guter Athleten enthoben. Diese Befürchtungen hatten bestanden nachdem Garmisch zum gleichen Zeitpunkt das Eröffnungsspringen auf seiner neuen (Olympia)Schanze angesetzt hat.

So, nun hat der Skiclub eine neue Schanze, Springer und Schnee, aber es regnet seit Tagen. Der Skiclubvorsitzende appelierte an seine Mitglieder, am Sonntag um 8 Uhr zahlreich zum erneuten Präparieren der Schanze zu erscheinen. Und dann der Sonntag: Plusgrade und es regnet Bindfäden. Eine große Helferschar repariert die Sprunganlage so gut es geht. Pünktlich um 13.15 Uhr geht der Oberstdorfer Franz Thannheimer als erster Springer über den jungfäulichen Schanzentisch, 45 Meter! Aber gestürzt! Bedingt durch den regenweichen Aufsprung gibt es eine Menge Stürze, die aber alle glücklicher Weise ohne gesundheitliche Folgen bleiben. Der damals bekannte Springer Gustl Müller aus Bayerischzell setzte mit seinem gestandenen 35-Meter-Sprung den ersten Schanzenrekord. Sieger des ersten Springens auf der „Schattenbergschanze“, wie die Anlage nun offiziell heißt, wird der Nesselwanger Hans Ott. Aus Oberstdorfer Sicht: Philip Risch 2. der AK I und Albert Gschwender belegt den 3. Platz bei den Jungmannen. Wie für damalige Zeiten üblich endete die Konkurrenz mit einem „Doppelsprung“, den in unserem Falle Aschauer (Berchtesgaden) und Knott (München) dem dankbaren Publikum vorführen.

Vielleicht noch ein Wort zu den Preisen: Der Tagessieger erhielt ein Ölbild von Edwin Henel. Die Sieger der einzelnen Klassen den Eibenzweig des SCO und eine Urkunde, die zweit- und drittbesten aller Klassen eine Plakette und eine Urkunde. Ja, die Sponsoren der Industrie hatten damals den Skilauf noch nicht entdeckt.

Wer heute im Skisprungstadion am Schattenberg im Sommer einem Mattenspringen zuschaut, im Winter ein Nachtspringen besucht, die „Kombinierer“ auf der 70-Meter-Schanze bewundert oder mit Begeisterung die Weltspitze des Sprunglaufs beim jedjährlichen Auftakt der Vierschanzen-Tournee beobachtet, sieht den Erfolg, zu dem 1924/25 der Grundstein gelegt worden war.

75 Jahre ist sie nun alt die Schattenbergschanze; immer wieder umgebaut und vergrößert. 75 Jahre Schattenberg heißt, daß in dem Zeitraum wohl alle Sprunglaufgrößen der Welt über diesen Bakken gegangen sind. 75 Jahre Schattenbergschanze heißt aber auch, daß einheimische Springer den Namen Oberstdorf in alle Welt trugen. „Schattenberg“ wurde ein Markenzeichen für Oberstdorf und eine Werbung für den gesamten Skisport.

Von den Athleten von damals leben vielleicht noch Jugendspringer von einst. Die Initiatoren deckt alle grüner Rasen. Ihr Werk aber läßt sie weiterleben.

Text: Eugen Thomma

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